Samstag, 24. Januar 2009
 
Uni Linz: Forschen für den Krieg? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Werkstatt Frieden & Solidarität   
Dienstag, 20. Februar 2007

Da die Unis von der öffentlichen Hand zunehmend ausgehungert werden, greifen sie verstärkt zur Drittmittelfinanzierung. Forschungsinhalte werden so zusehends der öffentlichen Kontrolle entzogen, geforscht wird für große Konzerne, deren Profitinteressen im Vordergrund stehen. Wissenschaft dient nicht mehr dem gesellschaftlichen Fortschritt, WissenschafterInnen forschen immer öfter für die Rüstungsindustrie.

An der Uni Linz ist der Rüstungs- und Atomkonzern Siemens mittlerweile der größte Kooperationspartner für Forschungsprojekte (insgesamt 26 an der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, die allermeisten davon wurden nach der Jahrtausendwende gestartet).

Geforscht wird u.a. unter der Federführung von Prof. Gustav Pomberger (Inst. für Wirtschaftsinformatik) an Navigationssystemen mit erweiterter Realität (Information and Navigation Systems through Augmented Reality - INSTAR). Potentielle Anwendungsbereiche liegen neben der Medizintechnik v.a. in der militärischen Flugsystem-Navigation und -Planung. Auch der "Cybersoldier" kann mithilfe von AR-Systemen eine Vielzahl taktischer Informationen zur Orientierung im Gelände und zur Position gegnerischer Waffensysteme direkt in sein Gesichtsfeld einblenden. Ebenfalls militärisch anwendbar ist ein Projekt, bei dem ein hochauflösendes, robustes und schnelles Radarsystem entwickelt wurde (Linearization Concepts and Algorithms for High Resolution FM Radar Systems). Darüber, um welche Summen es sich bei den Projektgeldern handelt, die Siemens zur Verfügung stellt, wollte Rektor Ardelt keine Auskunft geben.

Kompensationsgeschäfte mit der Rüstungsindustrie

Für den Aufbauschwerpunkt "Informationselektronik" sind an der Uni Linz 3 bis 4 neue Institute vorgesehen; der Bund soll die Errichtungskosten (5 Mio. Euro) übernehmen, bis zum Jahr 2009 wird eine 50 %ige Landesfinanzierung der Kosten zugesagt. "Die verbleibenden 50 % der Kosten bis 2009 sowie die Gesamtkosten ab 2010 müssen von Bund, Land und Wirtschaft abgedeckt werden, u.a. durch Kompensationsgeschäfte mit EADS", heißt es im Entwicklungsplan 2006 - 2012 der Uni Linz. EADS ist der größte kontinental-europäische Rüstungskonzern, Siemens ist unter dessen Federführung maßgeblich an den beiden Cash-Cows der europäischen Kriegsindustrie beteiligt: beim NATO-Raketenabwehrsystem MEADS (geschätzte Gesamtkosten 12.000 Millionen Euro), beim von EADS produzierten Eurofighter fertigt Siemens die elektronische Ausstattung. Im Rahmen des "Herkules"-Projektes werden bis 2017 Rechenzentren, Software, Telefone, Sprach- und Datennetze der deutschen Bundeswehr modernisiert. Den Zuschlag für den Auftrag erhielt ein Konsortium, an dem Siemens und IBM zu 50,1 % beteiligt sind (restliche 49,9 %: Bund). Der Auftrag umfasst 7,1 Milliarden Euro.

EU: Milliardensummen für Rüstungsforschung

Die EU wird ab 2007 ein sicherheitspolitisches Forschungs-programm auflegen. Bisher förderte die EU offiziell nur zivile Forschung, Ausgaben für Rüstungsforschung waren verboten. Diese Trennung soll nun überwunden werden. Ab heuer werden zusätzliche Milliardensummen für wissenschaftliche Arbeiten im Interesse der Kriegsindustrie bereitgestellt. Gemeinsam mit der europäischen Verteidigungsagentur, die nationale Rüstungs-forschungsprogramme aufeinander abstimmt und dem "Beirat für europäische Sicherheitsforschung" werden demnächst die ersten Aufträge vergeben.

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Friedensorganisation unerwünscht

Während Rüstungskonzerne wie Siemens von der Uni Linz hofiert werden, hat man mit Organisationen wie der "Werkstatt Frieden & Solidarität" keine Freude mehr. War es früher für NGOs problemlos möglich, in der Linzer Mensa Flugblätter aufzulegen, so beschied die Uni-Direktion im vergangenen Jahr plötzlich, dass dafür 55 Euro pro Tag zu entrichten und das Flugblatt zwei Tage vorher zur Begutachtung vorzulegen seien. Stein des Anstoßes war bezeichnenderweise ein Flugblatt, das sich mit der Bildungspolitik von Konzernen und EU auseinandersetzte. Die Werkstatt weigerte sich, diese 55 Euro pro Tag zu zahlen. Gesprächsangebote der Werkstatt wurden abgelehnt, statt dessen drohte die Uni-Direktion mit Klagen und die Abhaltung einer ursprünglich bereits genehmigten Veranstaltung am Campusgelände wurde verboten.
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